Krisenjahr 2016: Was für ein Chaos

Ein Kommentar von Roland Nelles (Spiegel online)

Erst der Brexit, dann eine Terror-Amokfahrt in Nizza und noch ein Putschversuch in der Türkei: Die Nachrichtenlage der vergangenen Tage hätte früher gereicht, um zwei Jahre zu füllen, schreibt ein Kollege auf Twitter. Das stimmt leider und doch auch wieder nicht.

Die Welt hat seit dem Zweiten Weltkrieg immer wieder Phasen relativer Ruhe und Phasen relativer Unordnung erlebt. Jetzt, in diesem Krisenjahr 2016, befinden wir uns in einer Phase der Unordnung. Das macht Angst, viele Menschen machen sich Sorgen um die Zukunft.

In der Vergangenheit war es immer beruhigend zu wissen, dass es verlässliche Institutionen und Bündnisse gibt, die durch Gemeinschaft Sicherheit geben: Das sind die Nato und die EU. Das eigentlich Besondere am Krisenjahr 2016 ist, dass man sich derzeit nicht sicher sein kann, wie lange es diese Gemeinschaften noch geben wird. Denn anstatt dass Nato und EU gestärkt werden, werden sie von unverantwortlichen Politikern und Populisten unter Beschuss genommen.

Ohne die USA wäre die Nato am Ende

In den USA will Donald Trump Präsident werden, in dieser Woche wird er auf dem Parteitag in Cleveland offiziell zum Kandidaten der Republikaner ausgerufen. Trump stellt die Nato in ihrer jetzigen Form infrage und interessiert sich ansonsten nicht groß für Außenpolitik. Für den Kampf gegen den IS hat er angeblich einen Plan, verraten will er ihn aber nicht.

Grundsätzlich würde er wohl am liebsten das internationale Engagement der USA möglichst weit zurückfahren. Das wäre fatal für unsere Sicherheit in Europa. Ohne die USA wären die Nato am Ende und der Kampf gegen den Terror vor unserer Haustür so gut wie verloren.

Gleichzeitig kommt in der EU der Brüssel-Hass immer mehr in Mode, nicht nur bei den Brexit-Freaks in Großbritannien. Statt darüber nachzudenken, wie die wenigen gemeinsamen Institutionen, die wir haben, besser werden können, wollen die Populisten die EU sprengen.

Noch gibt es Hoffnung

Marine Le Pen in Frankreich propagiert einen radikalen Nationalismus; sie will im kommenden Jahr Präsidentin werden. Nach dem Anschlag in Nizza ist das wieder ein bisschen wahrscheinlicher geworden. In Deutschland feiert die AfD mit ähnlichen Parolen Erfolge. Diese Politiker setzen leichtfertig aufs Spiel, was in jahrzehntelanger Arbeit mühsam aufgebaut wurde.

Die EU und die Nato sind nicht perfekt, aber sie sind alles, was wir haben, um die aktuellen Krisen gemeinsam mit anderen eindämmen zu können. Allein wird kein Land die Probleme dieser Zeit lösen, es geht nur in starken internationalen Bündnissen.

Die gute Nachricht ist:

Noch gibt es Hoffnung, dass sich sowohl in den USA als auch in der EU die Vernunft durchsetzen wird. Den Freunden des Populismus sei gesagt: Den Wert mancher Dinge erkennt man oft erst, wenn sie nicht mehr da sind.